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Das fürstbischöfliche Jagdschlösschen am Ukleisee und sein "Lustgehölz"

In Sielbeck, nahe Eutin, errichtet der Eutiner Hofbaumeister Georg Greggenhofer im Jahre 1776 auf einer Geländekuppe zwischen zwei Seen ein Lustschlösschen. Ein besonderer Standort, denn in westlicher Richtung präsentiert sich der weite Kellersee inmitten eines malerischen Panoramas der holsteinischen Landschaft und in östlicher Richtung der umwaldete, kleine Ukleisee. Bauherr ist der Lübecker Fürstbischof Friedrich August Herzog von Oldenburg, der das Bauwerk als „Lusthaus" für seine Gemahlin Ulrica Friederike bei seinem Hofbaumeister in Auftrag gibt.

Greggenhofer realisiert einen eingeschossigen Saalbau mit einem Mansarddach, dem seitlich zwei kleine überwalmte Flügelbauten eingeschoben sind. Der Hofbaumeister erstellt den Baukörper als Holzfachwerkkonstruktion mit ausgemauerten Gefachen. Die Wände werden innen verputzt und von außen mit einer Holzbeplankung mit versehen. Diese erhält im Mittelbau eine spätbarocke Pilastergliederung, Fensterumrandungen und -verdachungen sowie einen besandeten Farbanstrich in einem steinfarbenen Farbton, wodurch der erwünschte Eindruck eines herrschaftlichen Putzbaus erweckt wird. Das Dach wird mit einer blauschwarz-glasierten Tonpfanne eingedeckt. Im Inneren versieht Greggenhofer insbesondere den Saal mit Stukkaturen an Wänden und Decke. In die symmetrische Saalgestaltung werden die Türen zu den seitlichen „Kabinetten" sowie die beiden vis-à-vis stehenden Öfen einbezogen.

Bei der Gestaltung der Außenanlagen spielen der Ausblick auf den bereits im 18. Jahrhundert sagenumwobenen und in einem Buchenwald befindlichen Ukleisee und der weite Ausblick nach Westen über den Kellersee die Hauptrolle. Um den Ukleisee einzusehen, wird eine terrassierte Schneise in den Wald geschlagen und am Ufer eine Angelbrücke errichtet. Das direkte Umfeld verbleibt im wesentlichen naturbelassen und wird mit natürlich anmutenden Wegen, mit einer kleinen Brücke und einem kleinen Wasserfall versehen. Ein Gartenpavillon, der die umliegende Landschaft als natürlichen Garten zu nutzen versteht, stellt eine neue Errungenschaft dar, die erst durch die Gedanken der Aufklärung möglich wurde. Die Ausgestaltung des Umfeldes orientiert sich an den 1775 herausgegebenen „Theorie der Gartenkunst" von Cristian Cay Lorenz Hirschfeld. Dieser besucht das Lusthaus im Jahre 1780 und äußert sich begeistert: Für ihn ist hier ein ...Lustort, ein Aufenthalt der ländlichen Ruhe und Ergötzung....

Schon von weitem, auf dem Weg von Eutin nach Sielbeck, wird das kleine Schlösschen dem Betrachter aufgefallen sein, wie eine Zeichnung des Malers Jacob Jensen Hörup aus dem Jahre 1825 verdeutlicht: Mitten auf einer Geländeerhöhung steht ein kleines helles Gebäude mit einem im Sonnenlicht reflektierenden dunklen Dach, das über die gesamte Kuppe durch einen Baumvorhang gleichsam gerahmt ist. Um zum Schlösschen selbst zu gelangen, wird eine abschließende Baumreihe am westlichen Waldrand angelegt. Diese ermöglicht dem Besucher einen geschützten Ausblick auf die herrliche holsteinische Landschaft mit dem Kellersee. Auf der Kuppe öffnet sich die Allee wie ein Vorhang und gibt den ungestörten Blick auf den Kellersee frei.

Im prächtigen Saal besticht das künstlerisch hochwertige Stuckdekor des Hofbildhauers Johann Georg Moser mit der umlaufenden Pilastergliederung, den beiden Kaminvorbauten, den ausgerundeten Saalecken und der Mittelrosette. Doch es fallen auch die jeweils 3 querovalen Oberlichter an den beiden Stirnseiten auf. Durch sie kann das abendliche, aber auch das morgendliche Licht in den Saal gelangen und den Deckenstuck effektvoll anstrahlen.

Das im April 1776 begonnene und schon im Dezember desselben Jahres fertiggestellte Schlösschen wurde schon bald nach Fertigstellung für höfische Gesellschaften des Eutiner Hofes nach beendeter Jagd genutzt. So erklärt sich die heute übliche Bezeichnung Jagdschlösschen. Zu den zahlreichen Besuchern des Lusthauses gehörte auch Wilhelm von Humboldt, der in seinen Tagebuchaufzeichnungen 1796 die Aussichten auf den dunklen, kleinen See und auf den hellen, weiten See ...göttlich..." fand.

Im 19. Jahrhundert - wurden unter Beibehaltung des Entwurfskonzeptes Greggenhofers - seitlich des Saales die Kabinettflügel in Richtung Ukleisee verbreitert und mit neuen Walmdächern versehen. Hierdurch wurde jeweils ein zusätzlicher Raum gewonnen. 1939 wurde neben grundsätzlichen Instandsetzungsarbeiten im südliche Flügel des Jagdschlösschens eine kleine Wohnung eingebaut und als Nebengelass ein kleiner Stall errichtet.

In seiner Ursprungskonzeption verfügte das Schlösschen also über architektonisch gleichwertig ausgestaltete Hauptfronten zum Kellersee und zum Ukleisee. Hirschfeld erkennt in dem ...prächtigen... Panorama auf den westlich gelegenen Kellersee die Hauptausrichtung des Pavillons. Folgt amn seiner Beschreibung von 1780, so handelte es sich hier um einen überwältigenden Ausblick auf die holsteinischen Seenlandschaft. Von einer anderen Qualität hingegen sieht Hirschfeld die dem umwaldeten Ukleisee zugewandte Hinterseite des Pavillons: Eine introvertierte Szenerie ...in ländlicher einsamer Verschlossenheit. Der Ausblick auf den Kellersee hatte sich erst in den 1960-er Jahren durch eine Reihe von Eigenheimneubauten westlich des Schlösschens geändert, so dass heute lediglich der Sichtbezug zum Ukleisee verbleibt. Trotz dieser Wirkungseinschränkung stellt das Sielbecker Jagdschlösschen das beste Beispiel seiner Gattung in Schleswig-Holstein dar.

Als Liegenschaft des Landes Schleswig-Holstein wurde das Jagdschlösschen 1958 an die Stadt Eutin vermietet, die das Gebäude über Jahrzehnte erfolgreich einer touristischen und kulturellen Nutzung zuführte. Für 385.000,00 DM wurde das seit 1965 denkmalgeschützte Baudenkmal zu Beginn der 1980-er Jahre wiederum saniert. Am 16. August 1982 konnte das Gebäude durch den damaligen Finanzminister Rudolf Titzck nach umfangreicher Sanierung wieder der Öffentlichkeit übergeben werden.

1989, also genau 7 Jahre später bat das für die bauliche Unterhaltung des Jagdschlösschens zuständige Eutiner Landesbauamt um Erteilung einer denkmalrechtlichen Genehmigung für kleinere Instandsetzungsarbeiten inklusive eines Neuanstrichs. Die Denkmalpflege genehmigte mit der Auflage, die Schadensursachen vorab zu ergründen. Bei der hierzu erforderlichen Demontage der westlichen Verbretterung wurden erhebliche Holzschäden am tragenden Fachwerk entdeckt. Tragende Schwellen und Stiele der Fachwerkkonstruktion waren durch Anobien- und Schwammbefall teilweise vollständig zerstört. Der von der Denkmalpflege empfohlene Holzschutzgutachter stellte darüber hinaus bei weiteren Freilegungen weitere Substanzschäden verbunden mit umfangreichem Schwammbefall fest. Nun erklärte sich auch die erhebliche Rissebildung im Stuck des Saales. Wegen drohender Einsturzgefährdung musste eine Hilfskonstruktion im Saal eingebracht werden, die zwar nicht sonderlich schön war, aber immerhin die Durchführung weiterer kultureller Veranstaltungen bis zur Spielsaison 1993 ermöglichte.

Das Schicksal des Jagdschlösschens war mittlerweile in aller Munde. Inzwischen war offen von Sanierungskosten in Millionenhöhe die Rede. Dies veranlasste das Land als Eigentümerin vor dem Hintergrund der immer prekärer werdenden eigenen Finanzsituation, sich über die Zukunft des Baudenkmales ernsthaft Gedanken zu machen. Im Bewusstsein der öffentlichen Bedeutung des Jagdschlösschens für die Region vermied das Land glücklicherweise die Veräußerung an private Dritte. Trotz erheblicher baulicher Mängel und eben benannter statischer Hilfskonstruktion wurde das Baudenkmal bis Ende 1993 für kulturelle Veranstaltungen genutzt. Für 1994 war die Schließung des Schlösschens aus Sicherheitsgründen jedoch unausweichlich. Im Oktober 1993 führte eine Initiative von Landrat Horst-Dieter Fischer an den Vorstand des Denkmalfonds Schleswig-Holstein e. V., Dr. Jürgen Miethke, der seine Bereitschaft zur Unterstützung signalisierte.

 
Im Dezember 1993 wurden erste konzeptionelle Skizzen für eine zukünftige denkmalgerechte Nutzung des Sielbecker Schlösschens entwickelt: Das Baudenkmal sollte auf seine wesentliche Grundstruktur zurückgeführt werden und der zentrale Saal als Höhepunkt des Baudenkmals besonders zur Geltung kommen. Die nördlichen Kabinette wurden als Küche und WC vorgesehen; die südlich des Saals befindlichen Räume als Eingangs- und Garderobenbereich sowie als Stuhllager oder für kleinere Veranstaltungen hergerichtet. Ferner wurde die Auslagerung der kleinen Wohnung vorgeschlagen und die Weiterführung der bislang durchgeführten kulturellen Veranstaltungen für die Öffentlichkeit nach Sanierungsabschluss empfohlen. Die Nutzungsvarianten berücksichtigten auch die für das touristische Angebot des Heilklimatischen Kurortes Eutin notwendige Angebot einer Liegehalle. Darüber hinaus wurde vorgeschlagen, den Pavillon als Tagungsräumlichkeit anzubieten und mit einer Aufwärmküche auszustatten. Die Idee, aus wirtschaftlichen Gründen eine Vermietung der Räumlichkeiten auch für Privatpersonen oder -organisationen ins Auge zu fassen, fand bei allen Beteiligten Zuspruch. Der Slogan Rent a castle wurde gerne übernommen.

Ende 1993 zeichnete sich die Gründung einer Stiftung Jagdschlösschen ab. Ende September 1994 kam es dann formell zur Stiftungsgründung mit der Sparkasse Ostholstein, dem Sparkassen- und Giroverband für Schleswig-Holstein, der Stadt Eutin und dem Kreis Ostholstein. Die Lösung wurde auch von der Denkmalpflege begrüßt; denn die in Aussicht gestellten Finanzmittel in Höhe von 2,7 Millionen DM garantierten eine umfassende Sanierung und damit die Rettung des Baudenkmals.

Erst nach der mit der Stiftungsgründung verbundenen Mittelbereitstellung konnte die neu gegründete Technische Arbeitsgruppe Jagdschlösschen ihre Arbeit aufnehmen. Nach weiteren Freilegungen bestätigte sich, dass - abgesehen von wenig fachlich qualifizierten Vorgängersanierungen - durch die jahrzehntelange, umfangreiche Nutzung der Schadensumfang des Baudenkmals besorgniserregend war.

Zeitgemäße Anforderungen eines ausreichenden Wärmeschutzes, des vorbeugenden Brandschutzes, der Gebäudesicherheit, technische Notwendigkeiten wie Wasserver- und -entsorung, Heizung, Elektrik etc. in eine 200 Jahre alte und dazu noch marode Gebäudehülle derart zu integrieren, dass das Baudenkmal weder beeinträchtigt noch gestört wird, gehören in der Denkmalpflege zwar zum Alltagsgeschäft, fordern jedoch immer wieder individuelle Anstrengungen. Denkmalpflegerisches Ziel war es von Beginn an, trotz der erheblich gesteigerten Nutzungsanforderungen ein denkmalverträgliches Zusammenwirken zwischen dem Baudenkmal und der heute erforderlichen technischen Infrastruktur zu erreichen.

Während der gesamten Planungs- und Bauzeit von Juli 1994 bis zur Fertigstellung im August 1997 fanden regelmäßige Gespräche zwischen der Landesbauverwaltung, die die Architektenleistung erbrachte, der neu gegründeten Stiftung und der Denkmalpflege statt. Grundstücksvermessung und -teilung, Bauantrag fürs Haupt- und Nebengebäude, Konkretisierung des Nutzungskonzeptes verbunden mit der Stellplatzfrage: Dies alles erforderte Abstimmungen und damit Zeit. So konnte erst im Winter 1995/96 mit den Sanierungsarbeiten begonnen werden. Noch im Januar 1996 bot das Jagdschloss - so die örtliche Presse - ...ein düsteres Bild....

Zunächst wurde die Bestandserfassung komplettiert und das Gebäude weiter freigelegt. Zu den Freilegungen gehörte auch die behutsame Entfernung der Saalstukkaturen, Türblättern, Türfuttern und Fußleisten, die für die anschließende Wiederverwendung zwischengelagert wurden. Die konstruktive Wiederherstellung des Fachwerkgerüstes konnte wegen des bedrohlichen Schwammbefalls sehr zum Leidwesen der Denkmalpflege größtenteils nur mit Ersatzhölzern durchgeführt werden. Aus bauphysikalischen und wärmetechnischen Gründen musste der Wandaufbau verändert werden: Zwar blieb es bei der traditionellen Fachwerkkonstruktion, die Ausfachung der Außenwände des Mittelbaus wurden aus bauphysikalischen Gründen mit Gasbausteinen ausgeführt und außen eine Hinterlüftung der Holzverschalung vorgesehen. Eine Neueindeckung des reparierten Dachstuhles wurde notwendig, da die 1982 eingedeckten Pfannen Fabrikationsfehler aufwiesen. Aus Platzgründen wurde die Gasheizungsanlage im Dachboden oberhalb des WC-Traktes untergebracht. Um den Raumeindruck im Saal nicht zu stören, wurden die beiden historischen Ofenstandorte in den Mittelnischen mit modernen Heizkörpern versehen, zusätzlich sorgt eine Fußbodenheizung für eine angenehme Raumtemperatur. In den übrigen Räumen konnten herkömmliche Heizungskörper unter den Fenstern integriert werden. Fenster und Außentüren mussten mit ihren historischen Unterteilungen erneuert werden. Die beiden neu eingesetzten Außentüren in der Garderobe und in der Küche wurden in zeitgemäßer Formensprache ausgebildet, um den neuen Eingriff zu verdeutlichen. Die Technikräume (Küche und Wcs) mussten ebenfalls zeitgemäßen Anforderungen Rechnung tragen und darüber hinaus sich in die historische Hülle einfügen. Im Herbst 1996 konnte das mittlerweile umgebaute Nebengebäude für die Nutzung als Hausmeistergebäude in Nutzung genommen werden.

Nach der Rohbauinstandsetzung erfolgte Anfang 1997 der Wiedereinbau der eingelagerten und mittlerweile gereinigten Saalstukkaturen. Die künstlerisch hochwertigen Partien wurden im Original wiederverwendet, die Gesimse nach Befund nachgezogen und die einfacheren Stuckelemente nach Befund neu gefasst. Aufgrund der erhaltenen Originalrechnung des Hofmalers E. D. Lescow vom Dezember 1776 konnten präzise Originalfarbangaben gegeben werden. Problematisch war lediglich, die überlieferte Besandung des Außenanstriches auszuführen. Für die Umsetzung dieser alten Anstrichstechnik konnte jedoch eine Lübecker Fachfirma gewonnen werden.

September 1997: Mit einer Festwoche veranstaltet die Stiftung Jagdschlösschen am Ukleisee die Wiedereröffnung unter großem Beifall der Öffentlichkeit. Das Jagdschlösschen in Sielbeck war gerettet. Restored to a better than new condition. Es war nun zwar schöner geworden als es je war, aber die Zeit wird das Gebäude mit ein wenig Patina versehen, die Würde und der Charme eines Altbaus kommen dann von allein. Die Grundinstandsetzung des Jagdschlösschens kann aus denkmalpflgerischer Sicht retrospektiv nicht vollends befriedigen, da sie allzu sehr durch hohe Nutzungsanforderungen und eine auf (technische) Umsetzung ausgerichtete Kompromissfindung geprägt war. Bei anderen Sanierungen ist es der Denkmalpflege weitaus besser gelungen, ihre Ziele zu vermitteln und letztlich Authentizität zu bewahren. Dennoch ist eines der herausragendsten Nebengebäude aus der Geschichte des höfischen Lebens in unserem Lande ist wieder vorzeigbar und nach wie vor für die Öffentlichkeit zugänglich. Seit seiner Wiedereröffnung wird das Jagdschlösschen ganzjährig für vielfältige Veranstaltungen erfolgreich genutzt.

Dr. Hartwig Barg
19.09.1998

(Zusammenfassung eines Vortrages anlässlich der Jahrestagung des Denkmalfonds Schleswig-Holstein e.V. im Jagdschlösschen am 19.09.1998. Veröffentlicht in: DenkMal! Schleswig-Holstein, Jahrgang 6, 1999, Seite 51-55))
Hier die abgestimmte Planung über eine zeitgemäßen direkten Umfeldgestaltung der Kieler Landschaftsarchitekten Siller, welche durch die Eutiner Landschaftsarchitektin Christina Bockel im Jahr 2004 umgesetzt wurde.
 
Stand: 28.12.04