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Ernst Scheel

Ernst Scheel war Ostholsteins erster Kreispräsident. Der gewissenhafte und bescheidene Mann hat bis 1974, als er aus fast allen Ämtern ausschied, so manchem Bürger geholfen. Er vergaß als Beamter nie, dass das Recht den Menschen helfen soll. Mit vielen hat er gut und vertrauensvoll zusammengearbeitet.

Ernst Scheel wurde am 25. März 1907 in Neustadt geboren. Von 1922 bis 1925 lernte er in der Stadtkasse und arbeitete dann dort noch drei Jahre. 1928 ging er zur Kreissparkasse nach Pinneberg, bestand 1934 die erste Sparkassenprüfung mit der Note „gut“ und absolvierte 1936 als einziger Teilnehmer die Inspektorenprüfung in der Sparkassenschule Hannover mit Auszeichnung. Dabei war er der einzige Volksschüler, hatte aber gute Kenntnisse in der Praxis erworben.

Im September 1945 übernahm Scheel die Stadtkasse in Neustadt und wurde später Stadtkämmerer. Bis zu seiner Pensionierung 1972 war er dann im Magistrat. Bereits 1925 wurde der Jubilar Mitglied der SPD. Bezeichnend für Ernst Scheel war, dass eine CDU-Mehrheit den Kämmerer, der Mitglied der SPD war, 1956 zum hauptamtlichen und stimmberechtigten Stadtrat wählte. Im Jungen Reichsbanner gehörte er dem geschäftsführenden Vorstand an. 1948 wählten ihn die Bürger in den Kreistag Oldenburg. Er wurde Vorstandsmitglied der Kreissparkasse, war in verschiedenen Ausschüssen tätig, wurde auch 1970 nach der Kreisreform Abgeordneter im Kreistag Ostholstein und dessen erster Kreispräsident. Ernst Scheel arbeitete im Vorstand des Städtebundes und im Landkreistag mit. Er war auch Vorsteher des Wasser- und Bodenverbandes Kremper Au und im Verwaltungsausschuss des Arbeitsamtes Lübeck. Seine Verdienste um die Kommunalpolitik wurden mit der Freiherr-vom-Stein-Medaille gewürdigt und 1974 mit dem Verdienstkreuz am Bande.

Ernst Scheel war verheiratet und hatte zwei Töchter. Er las gern und viel Zeitungen, politische und plattdeutsche Bücher, ging spazieren und kümmert sich um seinen Garten.

Gastbeitrag zu Kreispräsident Ernst Scheel

Ernst Scheel wurde am 24.03.1907 hier geboren und ist bei seinen Großeltem in der Brückstraße aufgewachsen, nicht verwandt und nicht verschwägert mit der Neustädter Kaufmannsfamilie gleichen Namens. Er war hochbegabt, konnte aber aus finanziellen Gründen keine weiterführende Schule besuchen und begann Ostern 1922 mit 15 Jahren bei Bürgermeister Rehr eine Lehre auf dem Rathaus in der Stadtkasse, wo er dann nach seinem Abschluss noch bis 1928 tätig war. Während dieser Zeit schrieb er, da er über eine gerühmte, hübsche Handschnft verfügte, die Amtsrolle des Neustädter Fischeramtes ab. Dafür bekam er von diesem einen schriftlichen Dank und „eine Aufmerksamkeit (- vielleicht einen geräucherten Aal? -) für die vorzügliche Ausführung". Scheel blieb den Fischern immer eng verbunden, hat mit ihnen etliche faire Verhandlungen in Sachen Entschädigung geführt und war 1974 als Kreispräsident a. D. Ehrengast beim 500jährigen Jubiläum.
1928 zog es ihn zur Kreissparkasse Pinneberg, wo sich bessere Aufstiegschancen zu bieten schienen. Dort machte er 1935 die Sparkassenprüfung mit „gut" und absolvierte als einziger Teilnehmer die Inspektorenprüfung in der Sparkassenschule Hannover mit Auszeichnung. Als Volksschüler unter lauter Mittelschülern und Gymnasiasten!
1932 heiratete er seine Frau Margarete, die Haustochter beim Landrat Niendorf war. Die Verbindung der beiden Familien hielt ein Leben lang. Kennengelernt hatten die Eheleute sich durch die gemeinsame Liebe zur Musik. Frau Scheel spielte Laute, Ernst Scheel Zither, daneben sang er sehr gut mit seinem schönen Tenor. Zwei Töchter wurden 1933 und 1937 in Uetersen geboren, wohin die Familie inzwischen gezogen war. Wegen einer körperlichen Behinderung brauchte Ernst Scheel keinen Kriegsdienst zu leisten und kam gleich nach Kriegsende, im September 1945, nach Neustadt zurück und übernahm die Stadtkasse, wenig später auch die Kämmerei. Bürgermeister zu der Zeit war Professor Paul Haas seit dem 18.06. 1945. Scheel schätzte ihn über alle Maßen. Nicht nur aus natürlichem Respekt des Jüngeren gegenüber dem fast 20 Jahre Alteren, sondern auch aus Bewunderung für die schon vollbrachte berufliche Lebensleistung als hoher preußischer Ministerialbeamter und Professor.
Es mag Ernst Scheel insgeheim mit Freude erfüllt haben, diesem verehrten Vorbild durch seine praktischen und umfassenden Kenntnisse in Sachen Buchhaltung und Finanzen etwas voraus gehabt zu haben, mit dem er jenem hilfreich sein konnte. Ihm mag es da gegangen sein, wie dem treuen Eckermann, der ein kenntnisreicher Vogelliebhaber war, Goethe
gegenüber, als dieser Sperlinge für Lerchen ansah und Eckermann zu sich sagte: „Du Großer und Lieber, der Du die ganze Natur wie wenig Andere durchforschest hast, in der Ornithologie scheinst Du ein Kind zu sein."
Anders geprägt war Scheels Verhältnis zu Bürgermeister Wollenberg, der Prof. Haas 1954 ablöste. Auch hier bestimmte Respekt voreinander und absolute Loyalität die tägliche Arbeit, auch diesem war er unentbehrlich, denn Wellenberg - obwohl von Hause aus Sparkassenmann und mit Zahlen vertraut - war ein Generalist, der sich um die Details im allgemeinen und
solche der Finanzen oder gar Finanzierbarkeit weniger sorgte. Wollenberg schaffte an. Scheel musste zusehen, woher er das nötige Geld bekam. Als Mitglied des Vorstandes der PQ-eissparkasse und von Landrat Dr. Rohwedder im Kreistag sehr geschätzt, gelang es Scheel auch in aussichtslosen Fällen, deren es zunehmend mehr gab, Lösungen zu finden, was seinen
Ruf als Finanzgenie festigte, aber nur noch mehr Begehrlichkeiten weckte. Wollenberg war das, was man heutzutage wohl einen Macher zu nennen pflegt. Scheel und Wellenberg waren ein ungleiches Gespann, die persönlich nichts miteinander verband. Gemeinsam aber galten sie als unschlagbar. Scheel, akurat, korrekt, sparsam, bei allem das Ende bedenkend. Von einer Bescheidenheit, die auf großen inneren Werten ruhte und zu Recht als eine der höchsten Eigenschaften des Menschen angesehen wird. Sein Auftreten enthielt fast einen Schuss von Selbstverleugnung. Daneben Wollenberg, ungeheuer selbstbewusst, zupackend, dazu klug, humorvoll und mit großer Schlagfertigkeit. Im Dienste der Stadt sich wohl schon mal „mehr scheinen als sein" erlaubend. Eine denkbar interessante Gestalt, neben der heutige Männer vielfach blass aussehen. Beide haben für damalige Verhältnisse für Neustadt unglaublich viel und Großes bewirkt. Vielleicht war nur so die kommunale Infrastruktur zu schaffen, um der von 1939 bis 1947 fast verdoppelten Bevölkerungszahl gerecht zu werden, und von der wir heute noch alle profitieren. Durch einen Aufenthalt im Städtischen Krankenhaus konnte Ernst Scheel nicht Ende März 1972 feierlich in den Ruhestand verabschiedet werden. Mir oblag es, ihm die Urkunde kurze Zeit später auszuhändigen. Dabei bot er mir seinen Rat an, wo immer ich ihn gebrauchen wollte. Insbesondere als Kreispräsident hat er dann seinen ganzen Einfluss geltend gemacht, als ich bald nach meinem Amtsantritt das Stadt. Krankenhaus an den Kreis verkaufen wollte.

In den Gesprächen wurde dann offenbar, wie sehr er darunter gelitten hat, als Kämmerer die hohe Schuldenlast, die die Stadt von 1954 bis 1972 angesammelt hatte, mitverantwortet zu haben. Er befürwortete darum geradezu erleichtert die Entschuldung. Ernst Scheel war in Gesprächen schon damals aufgeschlossen dafür, dass angeblich zur „Daseinsvorsorge" unbedingt notwendige Gemeindeprojekte durchaus von Privaten, unter öffentlicher Aufsicht, betrieben werden könnten - ohne Einbuße von Qualität und manchmal sogar günstiger. Warum muss eine Gemeinde ein Schwimmbad mit hohem Defizit betreiben?
Die Ostsee-Therme macht es besser! Warum musste Neustadt - heute der Zweckverband Ostholstein - sich eine überdimensionierte Müllverbrennungsanlage anschaffen? Man lasse das doch private Unternehmer machen! Auch an Unkonventionelles sollte gedacht werden. Es gibt Angebote privater Unternehmen, öffentliche Schulen oder Kjndergärten zu sanieren, auszubauen, auszustatten. Die Stadt könnte die Gebäude verkaufen und zurückmieten. Die zum Teil selbstverschuldete Pinanzmisere zwingt die Städte, alle möglichen Fantasien zu entwickeln.
Neustadt galt beim Ausscheiden von Ernst Scheel als Sanierungsfall, eine Stadt mit 11 Mio. DM Schulden, pro Kopf 750,05 DM. Es hieß, die Stadt stehe vor der Pleite. Für den Kämmerer bedeutete es eine Katastrophe am Ende seines Berufslebens, dass der Haushaltsplan am 20.03.1972 nicht verabschiedet werden durfte, weil ein Fehlbedarf von 492.000,- DM nicht ausgeglichen werden konnte. Durch rigorose Sparmaßnahmen und Abgabe städtischer Einrichtungen auf andere öffentliche Träger gelang es dann, den Finanzhaushalt wieder zu sanieren. 1984 lag die Stadt bei der Verschuldung an 40. Stelle unter den 49 Städten in Schleswig-Holstein. Das hat Ernst Scheel noch erlebt, und ihn wird es gefreut haben.
1970 wählte der Kreistag des neuen Kreises Ostholstein Ernst Scheel zu seinem ersten Kreispräsidenten. Scheel gehörte seit seiner frühesten Jugend, seit 1925, der SPD an und saß für diese im Kreistag. Ein Parteipolitiker im engeren Sinne war er jedoch nie, so dass er 1956 einstimmig zum einzigen hauptamtlichen Stadtrat in den Neustädter IVtagistrat gewählt wurde,
bei bürgerlicher Mehrheit, wie auch als oberster Repräsentant des mehrheitlich bürgerlichen Kreistages das hohe Ehrenamt übertragen bekam. Auch engere Vertraute von Ernst Scheel wunderten sich anfangs über die offenbar verborgen gebliebene, auf das Repräsentative hin tendierende Seite seiner Persönlichkeit. Aber er mochte sich dem Drängen seiner Freunde
nicht verschließen, die in seiner Wahl neben dem CDU-Landrat Ohmstede eine Chance zum Zusammenwachsen der beiden Kreisteile sahen. Auch redete ihm wohl seine Frau tüchtig zu.
Ihr machte das Amt der „First Lady" ganz offensichtlich Freude; sicher mag sie sich an ihre schöne Zeit im Landratshaus in Pinneberg erinnert und das späte Glück als eine Art innerer Genugtuung empfunden haben. Ihre Vorliebe für große, breitkrempige Hüte bei öffentlichen Anlässen, wo ihr Mann die Reden schon mal auf plattdeutsch hielt, ist heute noch in eingeweihten Kreisen nachsichtig belächelte Legende.

Margarete Scheel verstarb 1983, Ernst Scheel verzog Mitte der achtziger Jahre zu seiner Tochter Anke nach Hamburg, oft am Elbufer spazieren gehend und dabei sicher zurückdenkend an seine geliebte Ostseestadt. Dort lebte er zufrieden bis zu seinem Tode am 26.10.1992.
Die Stadtvertreter in Neustadt sandten eine Abordnung zu seiner Beerdigung und erhoben sich zu Beginn einer Stadtverordnetenversammlung in ehrendem Gedenken an einen verdienten Bürger der Stadt, dem eine bleibende Erinnerung gewiss ist. 

Quelle: Heimatkunde Geschichte und Geschichten von Neustadt in Holstein; Hans-Joachim Birkholz 11.Folge