Sielbecker Lustgehölz

Das Sielbecker Lustholz


Nach Abschluss der Sanierung des Sielbecker Jagdschlösschens wird im Frühjahr 2003 nunmehr das direkte Umfeld des Baudenkmals in enger Abstimmung mit der Gartendenkmalpflege überarbeitet. Hilfreich dabei war eine Beschreibung der Situation von Christian Cay Lorenz Hirschfeld aus dem Jahre 1780, die die exonierte Lage des Schlosses mitsamt dem waldähnlichen Umfeld für uns nachvollziehbar hält.

 

Um das Sielbecker Jagdschlösschen existierte um 1780 ein "Lustholz". Gartentheoretiker Christian Cay Lorenz Hirschfeld beschreibt nach seinem Besuch 1780 diesen Waldpark:

"...Auf der Hinterseite des Pavillon ist die Aussicht durch einen anliegenden Wald gesprerrt; nur eine einzige schmale Oeffnung leitet zwischen den Bäumen den Blick auf ein Gewässer. Dies ist eine veränderte Szene. Man sieht, durch den Zwischenraum in eine jähe Tiefe hinab, einen Strich von einem ganz nahen See, die Ukley genannt, und über ihn ruhet das Auge auf einem Gehölz, das in diesem Prospect das Ufer begränzt. Der See ist weder an Größe noch an Schönheit mit dem Kellersee zu vergleichen; sein Umfang ist klein, und man kann ihn gemächlich in einer Stunde umgehen. Allein seine Nachbarschaft und die Tiefe, worin er von dieser Anhöhe erscheint, machen ihn interessant. Eine steile Terrasse, mit Rasensitzen verziert, läßt, indem man sich mehr der Oeffnung nähert, den furchtsamen Glick hinabfallen. Unten am Ufer bemerkt man Bänke, und eine zum Vergnügen des Fischfangs sowohl, als zum bequemen Einsteigen in die hiezu bestimmten Böte in den See hinein angelegte Brücke.

Wandelt man zu den Seiten dieser Oeffnung auf bequemen Gängen zum Ufer hinab, so sieht man den See ganz, wie er von Hügeln, Buschwerk und Waldung umkränzt ist. Das Ganze ist ein schöner Umzug. Nirgends findet eine ausgedehnte Aussicht statt; sie reicht nicht weiter, als bis an die Bekränzung des nahen Ufers dieses kleinen Sees. Alles liegt in ländlicher einsamer Verschlossenheit. Indessen laufen doch in dieser Gegend, die völlig das Ansehen einer ruhigen einöde hat und maches Wild in ihrem Schatten verbirgt, Wege und Gänge zwischen den Holzungen und Gebüschen fast ganz um diesen See her.

Der Berg, auf welchem der Pavillon steht, ist mit einem Buchenwalde bekleidet, und hat fast überall tiefe Senkungen nach dem kleinen See hinab. Man geht auf gewundenen Gängen zwischen dem Bäumen umher, hört viel singende Vögel, und sieht das nahe Wasser leiblich durch das Laubwerk bblinken. Einige Gänge laufen unten am Ufer, andere oben an dem Abhange des Berges unter dem Schatten der Bäume herum, und sind hie und da mit kleinen Sträuchernund Blumen bepflanzt, an andern Stellen mit Vogelbeeren oder Quitschern besetzt, deren rothe Früchte die Tage des Herbstes zieren und den Fang der Krammetsvögel begünstigen. An den Spaziergängen laden Bänke und Rasensitze zum Ausruhen oder zum Genuß einer Aussicht ein. Zuweilen ist diese blos auf einen innern Prospect oder auf den waldigten Umzug einer kleinen Bezirks eingeschränkt; man genießt bey dem Ausruhen den Anblick des Grüns, den Duft der Kräuter umher, und die Erquickung der Kühlung. An andern Stellen erönnet sich eine freye Aussicht bald auf den See im Hintergrunde, bald auf seine buschigen Ufer, bald in die Felder der Landgegend hinaus. Zur Rechten an dem Ausgange des Waldes läuft in einer Niedrung ein Bach, der aus dem See abfließt, und bildet eine kleinen Wasserfall, der an diesem Ort wichtiger seyn würde, wenn man ihm mehr Verstärkung von Wasser, mehr Absturz und eine mehr natürliche Unterlage gäbe. Indessen betrachtet man diese artige Szene mit Vergnügen; man sieht dem Wasserfall auf beyden Seiten von zwo kleinen Rasenerhöhungen zu, die Sitze im Schatten umherstehender Bäume haben. Eine kleine Brücke, die nahe unter dem Wasserfall über den Bach führt, dient nicht blos zur Verbindung, sondern auch zur Verzierung.

Dieser Lustort ist nach seiner Anlage und nach der Beschaffenheit der Landschaft ungemein gechickt, den Genuß der Empfindungen zu geben, die man hier sucht. Er ist kein Park, sondern, was er seyn soll, ein Lustort, ein Aufenthalt der ländlichen Ruhe und Ergötzung..."

Im Jahr 2001 war wenig von den Beschreibungen Hirschfelds im Gelände zu erkennen. Das sanierte Jagdschlösschen präsentierte sich ohne die ursprünglich wichtigste Aussicht zum Kellersee, aber zumindest noch mit einer imposanten Aussicht auf den Ukleisee. Durch Umgestaltungen in den 1980er Jahren war Ukleisee-seitig eine breite plateauähnliche axiale Gartensituation entstanden. Beiderseits der Hauptachse des Jagdschlösschens bestand Wald. Nur die Lindenreihe und die Zuwegung zum Jagdschlösschen erinnerten an die beschriebene Situation von 1780. Wenigen Besuchern fiel auf, dass die Lindenallee auch nördlich des Jagdschlösschen bis zur Sielbecker Aue weiter verlief. Über die steile und vermutlich nicht originale Treppe gelangt der  Besucher vom Jagdschlösschen auf den Rundwanderweg direkt am Ukleisee.  Die Denkmalpflege fand in den Beschreibungen Hirschfelds wichtige Hinweise auf eine Nachempfindung des alten Waldparks.

Nachempfindung des Sielbecker Lustholzes

Nach einer Abhandlung über das "Lustgeholz zu Sielbeck" durch Thomas Messerschmidt M.A. im Jahre 1995 bestand 2002 erstmals die Chance einer Nachemfindung des Lustgehölzes. Hierzu wurden die Forstverwaltung als Grundstückseigentümerin der Waldflächen, der Wasser- und Bodenverband als Eigentümerin der Sielbecker Aue, die Untere Naturschutzbehörde, die Wasserbehörde, die Stiftung Jagdschlösschen als "Nachbarin", der Dorfvorstand und die Stadt Eutin mit dem Baubetriebshof zu einem gemeinsamen Ortstermin gebeten. In Anlehnung an die beeindruckend genauen Beschreibungen Hirschfelds wurden erste Wegeverläufe entlang des Geländehanges zum Ukleisee aufgefunden und durch städtische Initiative und viel ehrenamtliches Engagement von Seiten des Dorfvorstandes wieder hergestellt. In der Örtlichkeit konnten einzelne Wegeverläufe selbst nach über 200 Jahren noch als solche erkannt werden. Insbesondere der Höhenweg, der entlang der Abbruchkante auf die mittlere Plateauhöhe in der Jagdschlösschenachse führt, bot seit seiner Wiederherstellung eine attraktive Alternative zum geradlinigen Weg entlang der Lindenreihe bis zum Schlösschen. Im gleichen Jahr wurde auch das Waldwegesystem sowie die Treppe beim kleinen Wasserfall wieder hergestellt. Die Wege wurden mit einfachen Mitteln als schmale Pfade naturnah ausgestaltet.

 

Gemeinsam mit allen Beteiligten gelang es im Jahre 2002, wesentliche Teile des alten Wegesystems des "Lustgehölzes zu Sielbeck" nachzuempfinden. Im Jahr 2003 wurde der von Hirschfeld beschriebene Wegeverlauf nördlich der Sielbecker Au nachempfunden. In diesem Zusammenhang konnte Anfang 2004 auch die von Hirschfeld beschriebene Brücke an ihrem belegten Standort als wichtiger Bestandteil des Wegesystems wieder entstehen. Die nunmehr verwendete Brücke ist aus Kostengründen in zeitgemäßer Formsprache erstellt, anschließend jedoch als "LEADER+" - Maßnahme  "waldgerecht" verkleidet worden.

 

Die ebenfalls seit langem geplante Wiederherstellung des hölzernen Wehres für den von Hirschfeld beschriebenen kleinen Wasserfall in der Sielbecker Au konnte Ende 2004 realisiert werden. 

Bis Ende 2004 war es somit allen Beteiligten gelungen, den verloren gegangenen Schatz Sielbecks wieder erlebbar zu machen: Endlich hat das Jagdschlösschen wieder sein "Lustgehölz", endlich hat das Juwel wieder eine Fassung.

Dank an dieser Stelle allen Beteiligten für diese außergewöhnliche Gesamtleistung!

 

Stand: 28.12.04