MIH -Wenn Kinderzähne bröckeln
Was bedeutet MIH?
Bei der Erkrankung MIH (Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation), umgangssprachlich auch „Kreidezähne“ genannt, handelt es sich um eine Mineralisationsstörung der Zähne. Diese geht für die Betroffenen mit funktionellen und ästhetischen Beeinträchtigungen einher. Die Konsistenz der Zähne bei dieser Krankheit erinnert an Kreide Die Zähne können weich und brüchig werden. Ähnliches kann auch mit einem Stück Kreide passieren, auf welches zu viel Druck ausgeübt wird. Die Oberfläche der Zähne ist rau und porös und damit besonders kariesanfällig. Die MIH tritt trotz vorbildlicher Zahnhygiene und zahngesunder Ernährung auf.
Welche Zähne sind betroffen?
Betroffen sind einzelne oder mehrere erste bleibenden Backenzähne (6-Jahr-Molaren) und/oder die Schneidezähne (Inzisiven), manchmal auch schon die zweiten Milchmolaren (MMH). Die Zähne zeigen weiß-cremige bis gelb-braune Verfärbungen und verlieren zum Teil Substanz. Wie stark die Defekte ausgeprägt sind, kann sich von Zahn zu Zahn deutlich unterscheiden.
Was bedeutet das für die Zähne?
Bei der Mineralisation, dem Aufbau des Zahnes, fehlen wichtige Mineralien. Die Folge ist ein Zahnschmelzdefekt, bei dem der Zahn nicht die gewohnte Härte aufbaut. Im Vergleich zu gesunden Zähnen ist der Gehalt an Kalzium und Phosphat im Zahnschmelz deutlich niedriger. Der Schmelz ist daher weicher und anfälliger für Schäden. Die Flecken zeigen sich als weiß-cremige bis gelb-braune Flecken. Bei der schweren Form bricht der Zahnschmelz auf der Kaufläche gleich nach dem Durchbruch des Zahnes durch einwirkende Kaukräfte ein oder die Zähne weisen bereits im Durchbruch Defekte und Fehlbildungen auf. In diesen Fällen reagieren die Zähne häufig überempfindlich und neigen zu spontaner Schmerzreaktion auf äußere Reize wie Kälte und Wärme oder bei Berührung (z.B. Zähneputzen) oder Druck (z.B. beim Kauen).
Wie häufig tritt MIH auf?
Das Auftreten der Erkrankung ist regional sehr unterschiedlich. Während es in Brasilien und Dänemark das Auftreten der Erkrankung bei ca.. 40% liegt, in Hongkong dagegen nur bei 3%, sind in Deutschland etwa 10% der Kinder betroffen. Bei der 5. Deutschen Gesundheitsstudie (2014) wiesen fast 29% der 12jährigen Jugendlichen eine MIH auf. Weltweit wird die Häufigkeit auf durchschnittlich ca. 13% geschätzt, wobei etwa ein Drittel der Betroffenen wegen Schmerzen oder Läsionen einen akuten Behandlungsbedarf haben Es wird eine deutliche weltweite Zunahme der Erkrankungshäufigkeit beobachtet.
Warum betrifft MIH nur Kinder?
MIH tritt nur bei der Entwicklung der Zahnkronen und nicht mehr zu einem späteren Zeitpunkt im Leben auf. Die Entwicklung des Zahnschmelzes fängt ungefähr im 8. Schwangerschaftsmonat an und endet etwa im vierten Lebensjahr. Wenn ein Zahn fertig entwickelt ist, kann dieser nicht mehr von MIH befallen werden. Die Schädigung des Zahnes bleibt lebenslang bestehen.
Was sind die Ursachen?
In der Wissenschaft werden zurzeit verschiedene Ursachen diskutiert, sie gelten bislang jedoch als weitgehend ungeklärt. Mit einer großen Wahrscheinlichkeit handelt es sich um ein neuzeitliches Problem. Vermutet wird ein Zusammentreffen mehrerer Faktoren, die während des Zeitraums der Zahnentwicklung auf diese Zähne einwirken und zu einer Störung der Prozesse führen, die den Zahnschmelz bilden. Grundsätzlich vermutet man Ursachen, die vor, während oder nach der Geburt auftreten. Medizinische allgemeine Faktoren, wie Probleme im letzten Monat der Schwangerschaft, Sauerstoffmangel bei der Geburt, Frühgeburt und Kaiserschnitt scheinen das Risiko für das Auftreten der MIH zu erhöhen. Ebenfalls werden Krankheiten im Säuglings- und Kindesalter (z.B. Erkrankungen der oberen und unteren Luftwege, hohes Fieber und Infektionskrankheiten mit Antibiotikagabe), Umwelttoxine der Muttermilch oder ein Vitamin-D-Mangel ursächlich mit MIH in Verbindung gebracht. Auch genetische Einflüsse werden diskutiert. Obwohl es Hinweise auf eine erhöhte Erkrankungsrate nach Kontakt mit Weichmachern, wie z.B. Bisphenol-A in Tierversuchen gab, wird mittlerweile dieser Zusammenhang nach einer Bewertung des BfR (Bundesinstitut für Risikobewertung) als unwahrscheinlich eingestuft. Weitere Forschungen auf diesem Gebiet sind dringend notwendig und wünschenswert.
Kann man MIH vorbeugen?
Vorbeugende Maßnahmen sind nicht bekannt. Trotz regelmäßiger, gründlicher Zahnhygiene und gesunder Ernährung können Kreidezähne aus noch ungeklärten Ursachen auftreten.
Wie behandelt man MIH-Zähne?
Eine regelmäßige zahnärztliche Betreuung ist unerlässlich. Regelmäßige Zahnreinigungen sind sehr wichtig, da es an den rauen Oberflächen dieser Zähne zu vermehrter Anlagerung von Plaque und Zahnsteinbildung kommt. Betroffene MIH-Zähne sollte man regelmäßig und engmaschig in der Zahnarztpraxis kontrollieren lassen. Bei schweren MIH-Formen kann ein Recall-Intervall von zwei bis drei Monatennotwendig sein. Bei der Behandlung kommt es auf die Schwere der Fehlmineralisierung an. Eine Applikation von hochkonzentrierten Fluoridlacken dient der Desensibilisierung und Schmelzhärtung. Bei leichten Formen ist die Versiegelung der Fissuren von betroffenen Backenzähnen ein wirksames Mittel, um den Erhalt dieser Zähne zu sichern. Kleinere Defekte können mit zahnfarbenen Kunststoff-Füllungen versorgt werden. Bei größeren Substanzverlusten oder großer kariöser Zerstörung können Kronen die betroffenen Zähne schützen. Ist eine definitive Versorgung noch nicht möglich, können die Zähne zum Schutz provisorisch mit vorgeformten Metallkronen versehen werden. Ist die MIH zu weit fortgeschritten, kann unter Umständen auch in Zusammenarbeit mit einem Kieferorthopäden über eine Entfernung des betroffenen Zahnes im Seitenzahnbereich und eine Lückenversorgung nachgedacht werden.
Was können Eltern tun?
Da eine Vermeidung der Erkrankung nicht möglich ist, sollte der Schwerpunkt auf dem frühzeitigen Erkennen liegen, so dass ein Fortschreiten durch gezielte Behandlungen vermieden werden kann. Deswegen sollten Eltern die Zähne ihrer Kinder genau beobachten und schon früh mit ihnen regelmäßig zum Zahnarzt gehen, damit die Kinder sich daran gewöhnen und später keine Angst haben, falls eine Behandlung erfolgen muss.
Ebenso ist es wichtig, schon leichten Schmerzen im Mundraum des Kindes Beachtung zu schenken. Betroffene Kinder möchten oftmals den Mund nicht öffnen, weichen bei der Zahnpflege aus und auch das Essen und Trinken bereitet große Probleme. Eltern sollten die Beschwerden ihrer Kinder ernst nehmen, denn sie haben wirklich Schmerzen!
Stellt der Jugendzahnärztliche Dienst des Fachdienstes Gesundheit bei den Reihenuntersuchungen in den Schulen eine MIH fest, die einer engmaschigen Überwachung oder Behandlung bedarf, wird eine Elternmitteilung ausgestellt und eine Beratung in der zahnärztlichen Praxis empfohlen.
Für weitere Informationen steht Ihnen der Jugendzahnärztliche Dienst gerne zur Verfügung.